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Notker Becker

 

 Das Interview führte

 Notker Becker

 für die Ausgabe 1-2010,

 erschienen im Juli 2010.

 

 

2009/2010 Dr. Joachim I. und Dr. Heidi Goetz

Dr. Joachim und Dr. Heidi Goetz

Das Neusser Schützenkönigspaar Dr. Heidi und Dr. Joachim Goetz auf der Festwiese. Foto: N. Küpping


Polizei-Gewahrsam für Schützenkönig

L & L: Herr Goetz, wie ist es, wenn man nicht König wird?
Achim Goetz: Sie spielen sicherlich auf meinen vergeblichen Königsschuss im Jahr 2000 an. Es war damals gar nicht so schlimm. Ich habe mich erst eine halbe Stunde vor Beginn des Königsschießens am Dienstagnachmittag endgültig entschlossen, weil bis zu diesem Zeitpunkt noch kein Bewerber vorhanden war. Als ich mich, letztlich überzeugt von unserer Tochter, meldete, warf quasi gleichzeitig auch Hans-Josef Uhr seinen Hut in den Ring. Der ist es dann auch geworden. Da die Vorfreude also sehr kurz war, hielt sich später auch die Enttäuschung in Grenzen.
Heidi Goetz: Und im Nachhinein war diese Entscheidung auch besser so. Denn man hätte damals sehr kurzfristig alles organisieren müssen und das Ganze sicherlich nicht so entspannt angehen können wie im vergangenen Jahr.
L & L: Der zweite Anlauf war also länger geplant?
Achim Goetz: So weit man so etwas planen kann, ja. Wir haben in dem Königsjahr von Hans-Josef Uhr, der uns freundschaftlich zu vielen Terminen eingeladen hat, und auch in dem Königsjahr unseres Zugkameraden, Karl-Theo Reinhart, das Amt etwas ‚beschnuppern' können. Diese Eindrücke haben uns bestärkt, es noch einmal zu versuchen.

L & L: Wie wurde dann die konkrete Entscheidung getroffen?
Heidi Goetz: Im vergangenen Jahr konnten wir Schützenfest-Dienstag unseren 30. Hochzeitstag feiern und mein Mann ist zum 40. Mal mitmarschiert. Deshalb hatte ich ihm schon vor zwei Jahren vorgeschlagen, man könne doch aus diesem doppelten Anlass einen netten Frühschoppen veranstalten. Darauf war seine Reaktion: ‚Dann kann ich auch auf den Vogel schießen'.
Achim Goetz:
Mit dieser Absicht haben wir dann auch nicht hinter dem Berg gehalten, es war schnell bekannt, dass ich ein Bewerber für das Jahr 2009 sein würde. Und schnell stellte sich auch heraus, dass mein Ruderkamerad Paul Neuhäuser mein Mitbewerber sein würde.

L & L: Es hat dann ja sogar ein Probeschießen gegeben...
Achim Goetz: Das stimmt! Paul Neuhäuser hat mir dieses Probeschießen zum Geburtstag geschenkt. Auf dem Schießstand hat dann unser Freund Bernd Kluth den imaginären Scheibenschützen gemimt, von dem man ja immer noch erwartet hat, dass er am Kirmesdienstag an die Vogelstange tritt.

L & L: Wer hat gewonnen?
Achim Goetz: Paul Neuhäuser – mit Pauken und Trompeten. Aber ich habe bei dieser Gelegenheit festgestellt, dass ich mit meiner Gleitsichtbrille hoffnungslos verloren war. Genaues Zielen war unmöglich. Ich habe mir sofort danach eine Schießbrille anfertigen lassen. Damit ging es viel besser. Insofern war diese Generalprobe für mich Gold wert.

L & L: Dann hat Ihr Mitbewerber Sie quasi mit auf den Thron gehievt?
Achim Goetz: Wenn man so will, ja. Ich habe dann mit neuer Brille im Garten Schießübungen mit dem Luftgewehr veranstaltet, bei denen etliche Blumen dran glauben mussten. Auch auf dem Schießstand der Scheibenschützen und mit dem schwereren Kaliber meines Vorgängers Hermann-Josef Verfürth habe ich geübt.

L & L: Der Ehrgeiz hatte Sie also gepackt ...
Achim Goetz: Ja.

L & L: Und welche Vorbereitungen konnten Sie darüber hinaus treffen
Heidi Goetz: Wir hatten Frack und Kleid für den Krönungsball, die Gästeliste war fertig und unser Freund und Komitee-Mitglied Martin Flecken hatte uns mit den wichtigsten Terminen des Schützenkönigs in seinem Königsjahr versorgt, so dass wir diese zumindest einmal mit Bleistift in den Kalender eintragen konnten.

L & L: Wie haben Sie den Wettbewerb selber erlebt?
Achim Goetz: Wie im Traum. Es war eine verrückte Stimmung und je länger der Wettkampf dauerte, eine zunehmende Anspannung. Um einen herum stehen 10 – 20 Berater, Komitee-Mitglieder, Ehrenmitglieder, Majore, Adjutanten die alle Tipps und Ratschläge geben und auch tatsächlich mehr sehen, als man selber, da man im Schießkanal nur von unten auf den Vogel schaut.
Heidi Goetz: Die Anspannung war wirklich riesengroß. Ich stand unmittelbar an der Absperrung. Meine 25 Jahre alte Tochter hat ständig gesagt: ‚Komm, lass es doch endlich vorbei sein'. Das möchte ich wirklich nicht noch einmal erleben.
Achim Goetz: Und die anderen wissen auch zuerst, dass man König ist. Denn durch den Pulverrauch im Schießschacht hat man erst wieder Sicht auf die freigeschossene Stange, wenn die anderen schon jubelnd auf einen zugestürmt kommen.

L & L: Wie sind Sie das Königsjahr angegangen? Gab es ein Motto für Ihre Regentschaft?
Achim Goetz: 'Freude schenken macht glücklich' ist das Motto unseres Königsjahres und das haben wir bislang toll umsetzen können. Wir haben bisher ein wirklich schönes und glückliches Jahr hinter uns. Ich glaube, wir haben dem einen oder anderen Freude bringen können und dabei viel Spaß gehabt. Das ist mit das Wichtigste am Königsamt.
Heidi Goetz: Aber auch eine konsequente Planung.
Achim Goetz: Das stimmt. Es hört sich vielleicht ein wenig komisch an, aber um entspannt Schützenkönig sein zu können, braucht man ein konsequentes Projektmanagement - damit alles koordiniert ist und man eine Struktur hat. So gerät man nicht in Stress und kann die Termine und Begegnungen wirklich entspannt genießen.

L & L: Wer hat Sie in diesem Königsjahr besonders unterstützt?
Heidi Goetz: Unser Zug ‚Nur So', gute Freunde und vor allem unsere Kinder. Unser Königsjahr ist ein Familienprojekt geworden. Alle drei Kinder waren zusammen im Hofstaat, sie haben bei Einladungen, die wir zu uns nach Hause ausgesprochen haben, wie selbstverständlich mit vorbereitet und geholfen. Zusammen mit vielen Freunden, die ebenfalls Mitglied im Hofstaat waren. Das war eine sehr schöne und verbindende Erfahrung für die Familie, gerade wenn die Kinder mit 25, 24 und 22 Jahren schon erwachsen sind.
Achim Goetz: Auch vom Komitee sind wir stark unterstützt worden. So durch die Termin-Vorbereitungen und auch durch Empfehlungen, welche Termine wir mit hoher Priorität wahrnehmen sollten. Allerdings konnten wir bei der Termin-Gestaltung auch eigene Schwerpunkte setzen.

L & L: Welche Schwerpunkte waren das?
Heidi Goetz: Wir haben eine Reihe von sozialen oder karitativen Terminen wahrgenommen. Besonders nachhaltig in Erinnerung ist mir der Besuch beim Adventssingen im Hubertus-Stift, gemeinsam mit der evangelischen Pfarrerin. Die Freude und Dankbarkeit der Bewohnerinnen und Bewohner des Stifts über die Anwesenheit des Königspaares war schon sehr ergreifend.

L & L: Erhält man durch das Königsjahr einen anderen Blick auf das Schützenfest?
Heidi und Achim Goetz: Ja
Achim Goetz: Man erlebt das Schützenjahr ganz anders. Wir waren bei vielen Terminen zu Gast, die man sonst als „normaler" Schütze gar nicht erlebt. Das Regimentsschießen beispielsweise, das Sappeurs-Essen, die Patronatstage bei den Bruderschaften. Man lernt die ganze Vielfalt des Schützenwesens kennen und schätzen – wie unterschiedlich man feiert und welche Schwerpunkte die einzelnen Gemeinschaften setzen. Das ist eine beeindruckende Erfahrung.

L & L: Wie wichtig ist das Königsamt?
Heidi Goetz: Die Menschen in Neuss nehmen sehr großen Anteil daran. Unmittelbar nach dem letzten Schützenfest konnte man nicht durch die Stadt gehen, ohne von Vielen herzlich und mit ehrlicher Freude beglückwünscht zu werden
Achim Goetz: Für die Stadt ist das ein wichtiges Amt. Man ist von heute auf morgen oberster Repräsentant des Festes und auch ein wichtiger Repräsentant der Stadt. Das muss man in diesem Jahr auch verinnerlichen und sich entsprechend verhalten.

L & L: Welche interessanten oder auch amüsanten Erlebnisse sind Ihnen in diesem Zusammenhang vielleicht in Erinnerung geblieben?
Achim Goetz: Ein Beispiel: Nach der Präsentation der Erinnerungstafeln für die Römerbrücke an der Erftmündung wollte ich zu Fuß vom Reuterhof zu meinem Wagen laufen, der am Bootshaus geparkt war. Da hielt ein Polizeiwagen an, und der Ordnungshüter fragte, ob er Majestät denn nicht mitnehmen dürfe. Es ginge nicht, dass ich hier alleine zu Fuß laufen müsse. So wurde ich quasi im Polizei-Gewahrsam zu meinem Auto gebracht.
Das sind kleine Anekdoten. Sie zeigen aber, dass dieses Amt von den Neussern, wenn auch mit einem schmunzelnden Augenzwinkern, sehr geschätzt und sehr ernst genommen wird.

L & L: Wo haben Sie sich Tipps geholt im Königsjahr?
Achim Goetz: Die eine oder andere Anregung habe ich mir von meinem Vorgänger, Hermann-Josef Verfürth, geben lassen, der hatte einige wertvolle Ratschläge auf Lager, aber auch mein Zug-Kamerad und Ex-Majestät Karl-Theo Reinhart mit seiner Gattin Herta haben uns mit wertvollen Tipps geholfen.

L & L: Wie groß ist der Ehrgeiz, dem Amt eine persönliche Note aufzudrücken?
Achim Goetz: Der König ist „part of the game", wie man neu-deutsch sagt. Das Fest folgt traditionellen Regeln und Abläufen.
Das ist auch wichtig, sonst hätte es nicht die Zeitenläufe überdauert. Natürlich ist jeder König eine andere Persönlichkeit und bringt deshalb das eine oder andere neue Element ein. Im Großen und Ganzen sollte man sich jedoch in dem traditionellen Rahmen bewegen, der vorgegeben ist.

L & L: Gibt es eigentlich so etwas wie eine Vereinigung der Könige und Exkönige?
Heidi Goetz: Meines Wissens nach der einzige Termin, bei dem die ehemaligen noch lebenden Könige zusammenkommen, ist der Schützenfestempfang der AOK am Donnerstag vor Kirmes. Aber vielleicht sollte man so eine Vereinigung einmal ins Leben rufen. Das würde bestimmt lustig.

L & L: Gibt es bestimmte Kriterien, nach denen Sie Ihre Orden verteilen werden?
Achim Goetz: Zum einen an solche Menschen, die sich um das Schützenfest und das Leben in den Korps und Zügen verdient gemacht haben. Zweitens an die Menschen, mit denen ich persönlich schützenfestlich verbunden bin.

L & L: Gibt es einen besonderen Wunsch für das Schützenfest?
Achim Goetz: Wir würden uns sehr freuen, wenn der Schützenlustball am Sonntagabend die Stimmung eines zweiten Krönungsballs hätte. Die Schützenlust ist seit 40 Jahren unser Korps, hier fühlen wir uns wohl und mit denen wollen wir gerade am Sonntagabend noch einmal besonders ,,Die pure Lust auf Lust" feiern.

L & L: Abschliessend, Frau Goetz, Sie sind keine Neusserin. Wann und wie haben Sie das Schützenfest zum ersten Mal erlebt, und wie lernt man es lieben?
Heidi Goetz: Das erste Mal erlebt habe ich Schützenfest im Jahr 1974. Und ich fand das ganze Spektakel doch zunächst etwas befremdlich. Aber ich glaube, das geht vielen Zugereisten so. Aber wir sind in unserem Zug ‚Nur So' zu einem tollen Freundeskreis zusammengewachsen und das gilt bis zum heutigen Tag. Deshalb macht Schützenfest richtig Spaß.