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Carmen Kuhnert

 

 Carmen Kuhnert für

 Lust & Leute Vör die Dag 2007,

 erschienen im Juli 2007.

Größte Vorsicht bei der Wahl des Mädchens!

Vorsicht - Mädels!

Anekdoten rund um das Neusser Schützenfest

Man(n) höre und staune, Nüsser Röskes waren immer schon aktiv und dies sogar recht treffsicher. Von einem ,,Damenvogelschißen“ berichtete uns schon der hochverdiente, leider zu Beginn des Jahres verstorbene Joseph Lange, als er ausführte ,,auch Damen hatten einen Vogel!“ Bevor wir aber hier voreilige Schlüsse ziehen, diese kesse Formulierung war natürlich lieb gemeint und basierte auf Tatsachen, von denen die NGZ am 2. 9. 1891 kündete. ,,Während des Königsvogelschießens hielten Neusser Damen ein Preisschießen ab, mit Absegnung des Komitees, welches aber noch nicht sonderlich spektakulär verlief.“

Doch schon im darauf folgenden Jahr legten sie es auf einen Vogel an und hierzu teilt uns die Neusser Presse vom 30. 8. 1892 mit: ,,An dem Preisvogelschießen beteiligte sich besonders lebhaft die Neusser Damenwelt, eine von ihnen erlegte sogar den Rumpf!“

Eine schier unfassbare Steigerung erhielt das Ganze, als beim Krönungsball desselben Jahres, nach der großen ,,Huldigungscour, bei der die letzten Schützen den Ritterschlag erhielten, in Anerkennung hervorragender Leistungen im Schießen, doch tatsächlich zwei Damen mit einem Orden ausgezeichnet wurden. Da muss eine Aufschrei des Entsetzens durch die gesamte Neusser Männerwelt gegangen sein, ja, so ein Neusser Fräulein und Fräulein Maria Müller hatten etwas vollbracht, was als unantastbar galt.

Und einmal vom Erfolg verwöhnt, kam es ein Jahr später zu wahren Spitzenleistungen einiger Damen. Seitdem aber ist von ,,Entgleisungen“ solcher Art der fraulichen Beteiligung am Schützengeschehen“ nichts mehr überliefert worden. In den Statuten der Neusser-Schützen-Gesellschaft vom 15. 8. 1827 finden wir zum Thema ,,Ballordnung“:

§ 54/55 Nur rechtschaffene Bürgermädchen oder Freunde dürfen eingeführt werden. Hier muss jeder bei der Wahl seines Mädchens mit der größten Vorsicht zu Werke gehen!

§ 67/68 Keiner darf sich mit einem Mädchen vom Ball entfernen und damit spazieren gehen. Schon gar nicht nach Hause, bis der Ball beendet ist! Jetz kütt et:

§ 69 Beim Nachhausegehen ist alles Singen und Lärmen verboten. Jeder muss streng und sittlich den kürzesten Weg mit seinem Mädchen wählen und wer nach Verlaufe einer Viertelstunde noch auf der Straße mit einem Mädchen angetroffen wird, wird zukünftig von allen Bällen ausgeschlossen! Aha. Da bin ich aber wirklich froh, dass sich unser berühmter Liedschöpfer Karl Kreiner beim Texten vom ,,Nüsser Röske“ ganz unbeeindruckt gezeigt hat.

 

Ich erinnere mich gerne an frühere Zeiten, als es üblich war, mit seinem Hofstaatpartner erst vom Krönungsball nach Hause zu kommen, als die anderen bereits auf dem Weg in die Sonntagsmesse waren. Das waren noch Zeiten, unvergesslich und schön.

Eine tierisch gute Geschichte zum Königsschießen aus dem Jahre 1869: Der Vogel erwies sich als äußerst zäh und so musste das Schießen, man stelle sich das vor, am Mittwochmorgen fortgesetzt werden. Während man sich also am Vorabend vergeblich bemüht hatte, den Vogel zu erledigen, wie die NGZ berichtete, hatte in der rechten Ecke bei ,,den ernsteren Scheibenschützen“ ein Preisschießen der besonderen Art stattgefunden. Im Laufe des Tages hatte sich nämlich versehentlich eine Gewehrkugel in den Hinterschenkel eines auf der Weide grasenden Hammels verirrt. ,,Dat ärme Dier“ wurde daraufhin gekauft, kunstgerecht geschlachtet, sauber abgezogen und in fünf Lose geteilt. Zwei Hinterviertel, zwei Vorderviertel und das Schwänzchen. Tja, mit n´em Pflaster war da nichts mehr zu machen und ,,Alles wird gut“, wird den armen Hammel bei seinem weltlichen Abgang auch nicht getröstet haben.

Ein Königsschießen im Jahre 1901. Hier trat ein Problem zutage, welches auch heute schon mal vorkommt, denn es fand sich zunächst kein Kandidat. ,,Der Mond stand bereits am Himmel“, als ein Leutnant der Schützenlust den Vogel endlich von der Stange holte.

Pater Gallos, Maurer von Beruf und Betreibes eines ,,Tante-Emma-Ladens“ an der Düsseldorfer Straße. Doch der hatte sogleich ein Problem. Wie sag ich´s meiner Frau? Die Gute befand sich gerade auf dem Weg zur Wiese, als sie beinahe der Schlag traf. Setta, so hieß die Dame, drehte auf der Stelle um und ward erst mal nicht mehr gesehen. Sie versteckte sich bei Verwandten auf der Büttger Straße und bekam so leider den Triumph-Zug ihres Göttergatten durch die Stadt nicht mit. Was die Neusser spontan zu einem Lied veranlasste: ,,Wat nöz uns dat Schötzefess, de Königin es futsch!“ Doch der allgemeinen Freude tat dies keinen Abbbruch. Bis zum Krönungssamstag hatte König Peter seine Setta dann aber doch wieder fest im Griff und der Abend soll glanzvoll und harmonisch verlaufen sein. ,,Erst zog er sie, dann sank sie hin“. Ja, Frauen sind schon anpassungsfähige Wesen! Letztlich hat es noch immer ein Happy End gegeben und so mache Königin wäre es nach anfänglichem Zögern ein Leben lang geblieben. Könige aber auch!

Frage: Was haben David Copperfield und das Neusser-Bürger- Schützenfest gemeinsam?! Antwort: Beide lassen Menschen blitzschnell verschwinden.

So gesehen beim Schützenfest des vergangenen Jahres 2006, als der Nachmittagsumzug am Montag leider total verregnete und letztlich abgesagt werden musste. Die Regimentsspitze, Grenadiere und das charismatische Königspaar, Karl-Theo und Herta Reinhart, hatten gerade erst die Zollstraße passiert, als die ,,Schleusen aufgingen“ und es nur so schüttete. Jetzt hieß die Parole nur noch ,,rette sich, wer kann“, dies galt für Pferd und Mannen gleichermassen. Nun zum eigentlichen Phänomen. Blitzschnell war die soeben von Schützen eroberte Straße wie leer gefegt, weit und breit kein Marschierer mehr zu sehen und ungläubige Touristen kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Denn des Rätsels Lösung war relativ einfach. Neusser, die entlang des Zugweges wohnen, hatte umgehend und ohne Zögern Türen und Tore geöffnet, um den so arg durchnässten Schützen trockenen Unterstand zu ermöglichen. Handtücher und Haartrockner, der Schützen liebstes Utensil, an diesem Nachmitag. Das gibt´s nur in Neuss.

Carmen Kolumna für

Lust & Leute" vör die Dag 2007