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Notker Becker

 

 Das Interview führte

 Notker Becker

 für die Ausgabe 1-2007,

 erschienen im Juli 2007.

2006/2007 Mario I. und Maria Meyen

Mario I. und Maria Meyen

Maria und Mario Meyen in der Kutsche auf dem Weg zur Krönung in der Stadthalle.

Ich habe mich als Dienstleister verstanden

L & L: Herr Meyen, wann haben Sie sich entschieden, anzutreten?
Meyen: Ich habe mich am Krönungssamstag 2005 entschieden,
auf den Königsvogel zu schießen. Der Gedanke war schon lange
da, es gab auch die Überlegung, gemeinsam mit Karl-Theo Rheinhart
anzutreten. Aber im Jahr 2005 habe ich mich auf den New York-Marathon vorbereitet und so passte der ganze Zeitplan nicht. Aber an diesem Krönungsabend habe ich dann im Gespräch mit meiner Frau diesen schon lang
gehegten Plan konkretisiert. Dabei war sicherlich nicht unwichtig, dass in das Königsjahr mein 50. Geburtstag fällt.

L & L: Warum haben Sie die Königswürde angestrebt?
Meyen: Ich bin seit vielen Jahren Schütze, mir macht das Fest Spaß, und ich wurde auch schon länger gehandelt. Also reift so ein Gedanke langsam bis es dann einen konkreten Moment gibt an dem man sagt, jetzt passt es. Und
dann tritt man an.

L & L: War es nicht schwierig, nach so einem beliebten Königspaar wie Herta und Karl-Theo Reinhart anzutreten.
Meyen: Nein, überhaupt nicht. Ich kenne Herta und Karl-Theo seit vielen Jahren und ich habe ihr Königsjahr auch, so glaube ich, oft aus der Nähe miterlebt. Sie haben es mit ihren Persönlichkeiten in einer bestimmten, unverwechselbaren
und sehr sympathischen Art und Weise geprägt. Meine Frau und ich sind andere Typen, vielleicht introvertierter, und haben eine andere Art, aufzutreten.
Aber das ist doch gerade wichtig für dieses Amt. Es hat einen gewissen
Rang und eine gewisse Form, aber jedes Königspaar lebt es auf seine Art und Weise mit den Schützen und ihren Familien. Und die Möglichkeit, diese individuelle
Prägung dem Amt geben zu können, sichert am Ende auch genügend Königsbewerber. Wenn alles normiert ist, schießt keiner mehr.

L & L: Hatten Sie denn die Möglichkeit das zu tun?
Meyen: Im großen und ganzen schon. Man muss einen Mittelweg gehen. Denn bei
aller Individualität darf man sich in diesem Amt nicht zu wichtig nehmen und sollte
auch nicht das Bestreben haben, das Rad völlig neu zu erfinden. Die Position des Schützenkönigs ist in erster Linie die Klammer dieses Festes, nicht die Person die sie ausfüllt. 
Und dieses Amt hat in dieser Stadt, wie wohl jeder Schützenkönig erlebt, eine sehr hohe Reputation. Man muss deshalb auch sehr
genau aufpassen, dass man es nicht beschädigt.
Ich bin zum Beispiel gebeten worden, mich im Straßenbahn-Streit öffentlich zu positionieren. Das habe ich abgelehnt, denn mit dem Amt des Schützenkönigs
verbindet sich keine politische Parteilichkeit. Trotzdem kann man seine eigenen
Duftmarken setzen, und das habe ich versucht.

L & L: Wie sahen diese aus?
Meyen: Ich habe mich als Dienstleister verstanden und versucht, den Werbewert des Königsamtes in den Dienst der guten Sache zu stellen. Es ist halt  schon
so, dass es vielen Zügen und Gruppierungen leichter fällt, z.B. für einen caritativen Zweck zu sammeln, wenn der König als Aushängeschild dabei ist.
Es hat unheimlichen Spaß gemacht, hier zum Gelingen vieler guter Aktionen
beitragen zu können. Kommerzielle Auftritte habe ich dagegen konsequent abgelehnt. Deshalb will ich auch mit zwei Voraussetzungen für meinen Königsorden ein Zeichen setzen. Alle diejenigen, die zwischen Königsschuss
2006 und Königsschuss 2007 Vater geworden sind oder noch werden, erhalten
einen Orden, sowie solche Schützen, die sich im Ehrenamt engagieren.

Warum?
Meyen: Beim Nachwuchs geht es schließlich nicht nur um die Zukunft unserer
Gesellschaft, sondern auch um die Zukunft des Schützenfestes. Und ohne Ehrenamtlichkeit kann unsere Gesellschaft erst recht nicht überleben. Im übrigen, das gebe ich gerne zu, habe ich erst als König erlebt, wie tief das Schützenfest wirklich im Leben der Neusser verwurzelt ist und in welcher Vielfalt das Netz, dass die Schützen über diese Stadt auswerfen, geknüpft ist. Diese Stadt wäre um vieles, vieles ärmer, wenn es die Schützen und ihre Familien nicht gäbe. Das will ich honorieren.

L & L: Also alles gut beim Schützenfest?
Meyen: Nicht alles. Es gibt schon Gefahren. Ich persönlich muss sagen: Das, was sich an den Ehrenabenden und Kirmes rund um das Weiße Haus abspielt,
hat wenig bis gar nichts mit dem Schützenfest zu tun, wie ich es verstehe. Das ist eine Mischung aus Techno-Party und Love-Parade, die real existierende Spaßgesellschaft. Für mich aber ist Schützenfest nicht nur Spaß um des Spaßes will. Wenn solche Veranstaltungen wie am Weißen Haus überhand nehmen, ist der verbindende Charakter des Festes ernsthaft gefährdet.

L & L: Was bleibt noch Kritisches?
Meyen: Keine Kritik, aber eine Anregung: Manchmal habe ich als Schützenkönig etwas neidisch auf den Karnevalsprinzen geschaut. Denn ohne ihm nahe treten zu wollen, das Amt des Schützenkönigs ist in Neuss schon das Bedeutendere.
Doch der Prinz verfügt in der Session z.B. über einen Prinzenführer, eine großen Helfer-Stab und Fahrzeug mit Fahrer. Im Vergleich dazu fühlt man sich
als Schützenkönig manchmal allein gelassen. Es geht nicht um Fahrer und Auto, aber ein wenig mehr Hilfe bei der Auswahl, Vorbereitung und Durchführung von
Terminen und Veranstaltungen und manch guten Rat oder Tipp nicht nur auf Anfrage hätte ich mir schon gewünscht. Ich persönlich konnte auf einen Büroapparat zurückgreifen, habe das alles also gut kompensieren können. Aber
dieses Amt soll schließlich auch weiterhin für solche offen stehen, die diese Möglichkeit nicht haben. Aber vielleicht muss ich mir auch an die eigene Nase fassen, denn wahrscheinlich habe ich zu wenig gefragt. Also deshalb auch keine
Kritik, aber vielleicht eine Anregung für die Zukunft.